Ein Toter, der nicht sterben darf by Friederike Schmöe

Ein Toter, der nicht sterben darf by Friederike Schmöe

Autor:Friederike Schmöe
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2014-04-28T22:00:00+00:00


23.7.2013

Kapitel 20

Die Sonne durchflutete das Stockwerk, als Dagmar am nächsten Morgen aus dem Lift trat.

»Frau Gary, suchen Sie bitte die Bewerbungsunterlagen von diesem Mädchen heraus, das vor Kurzem hier war? Eine Blindbewerbung. Es ging um einen Praktikumsplatz.«

Frau Gary trat an einen Aktenschrank. Lautlos glitt eine Schublade mit Hängeregistern heraus. »Hier. Alexa Senger aus München.«

»Danke.« Dagmar klemmte sich die Mappe unter den Arm und ging in ihr Büro.

Sie hatte nicht schlafen können. Wie auch! Jorge versuchte, sie zu erpressen! Auf irgendwas war er aus, aber worauf? Wollte er ihr unterstellen, dass sie mit Rui unter einer Decke gesteckt hatte, um mit einer anderen Firma Geschäfte zu machen? Völlig absurd!

Womöglich hatte er Beweise … Oder genügend Indizien, denen es zwar bei genauerem Hinsehen an Hand und Fuß mangelte, die jedoch ausreichen würden, ihr die Referenzen zu verhageln. Stunde um Stunde hatte Dagmar sich im Bett gewälzt und versucht zu rekon­struieren, wo sie mit Rui gesehen worden sein konnte. Sie war schließlich aufgestanden und hatte im Netz herumgesucht. Auf Facebook hatte sie nach Fotos von Rui und sich selbst gefahndet. Es gab kein einziges mit ihnen beiden, nur eins von Rui, das ihn mit einer Clique zeigte. Drei Paare, mit Sektgläsern. Darunter stand etwas auf Portugiesisch. Aus dem Kauderwelsch der maschinellen Übersetzung schloss Dagmar, dass das Foto auf einer Hochzeit aufgenommen worden war.

In Lissabon. Weit weg. Vor ihrer Zeit.

Sie blätterte durch Alexa Sengers Bewerbungsmappe. Gut gemacht, kurz, prägnant, sachlich. Kein Schnickschnack. Alexa hatte im Gespräch signalisiert, Rui gekannt zu haben. Dabei war Dagmar fast durchgedreht und hatte zugesehen, Alexa so schnell wie möglich loszuwerden. Sie ging ins Netz. Wieder Facebook. Suchte nach Alexa. Kein Profil. Mist. Manche Nutzer gaben eben nicht ihre wirklichen Namen an. Dagmar selbst machte das genauso.

Sie stand auf. Stellte sich ans Fenster. München glänzte vor Sonne. Das Wetter sollte die nächsten paar Tage anhalten. Beste Voraussetzungen für den Biergarten. Wenn man jemanden hatte, mit dem man hingehen konnte. Dagmar rieb sich die Stirn. Mit Peter hatte sie früher, als sie sich gerade kennengelernt hatten, nichts lieber getan, als in Biergärten abzuhängen. Sie waren in ganz München und Umland herumgekurvt, um neue zu entdecken. Waren bis zum Starnberger See runtergefahren.

Peter. Sie verstand immer noch nicht, warum es mit ihnen nicht geklappt hatte. Peter hatte auf ihrem Handy angerufen, gestern Abend. Selbstverständlich hatte sie sich nicht bei ihm gemeldet. Das fehlte noch, dass er sie anzapfte. Weil er wusste, dass er über sie leicht an Stoff herankam. Mit Nostalgie, was ihre Beziehung betraf, hatte das wenig zu tun. Es war ohnehin fraglich, was sie beide zusammengehalten hatte. Vermutlich die große innere Leere.

Dagmar drückte ihre Stirn an die Scheibe. Tief unter ihr brandete der Verkehr. Am Himmel kreuzten sich die Kondensstreifen von Flugzeugen, ganze Webteppiche. Sie schüttelte den Kopf. Mehr als alles andere hatte sie jetzt Klarheit nötig. Sie nahm ihre Handtasche und die Bewerbungsmappe und sagte zu Frau Gary:

»Ich bin kurz weg. Bitte stellen Sie nur sehr dringende Anrufe auf mein Handy durch.«

»Natürlich.«

Was für ein Luxus so eine Sekretärin doch ist, überlegte Dagmar, als sie auf den Lift wartete.



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